Achtsamkeit und Sexualität – Interview mit Diana Richardson

Liebe Diana, der Begriff “Achtsamkeit” ist mittlerweile in aller Munde. Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Yoga und Meditation. Du betrachtest die Kunst des Liebemachens als einen heiligen Akt und eine Form der Meditation an sich. Bevor wir darauf eingehen, habe ich zunächst eine andere Frage:

Warum denkst Du, ist die konventionelle Art wie Leute Sex haben unbewusst und nicht achtsam?

Naja, wenn Du Dir die Situation näher betrachtest und Dich selbst beobachtest während des Sex, wirst Du feststellen, dass Du bestimmten Mustern folgst – einer Routine. Wir tun das, weil wir auf eine gewisse Art geprägt sind oder „konditioniert“. Und diese Prägung betrifft so gut wie alle von uns (99.9%)auf unbewusster Ebene. Unsere Ideen über Sex entstehen allmählich während wir erwachsen werden und wir bemerken nicht, dass dieses „unbewusste Lernen“ passiert. Wir sind tief geprägt darin zu glauben, dass es beim Sex darum geht, einen Orgasmus zu haben, alles zu einem Höhepunkt zu bringen, der zu einer Erleichterung führt. Wir erkennen die Wirksamkeit dieses Glaubenssatzes daran, dass wir „die gleiche“ Erfahrung immer wieder haben wollen und für gewöhnlich folgen wir dem gleichen Muster um dorthin zu gelangen – wir bauen Intensität auf, werden erregter, heißer, in der Absicht, das Erlebte zu einem Höhepunkt zu bringen. Dies führt dazu, dass die meisten von uns mehr oder weniger unbewusst auf Autopilot schalten, wodurch der Körper sehr angespannt, zusammengezogen und mechanisch ist.

Wie sieht “achtsamer” oder “Slow Sex” aus? 

Achtsam heißt „bewusst zu sein“. Sich selbst und den eigenen Körper zu beobachten und seine ganze (oder so viel wie möglich) Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was man tut und wie man es tut. Du bemühst Dich, jeden Moment so bewusst wie möglich zu erleben. Du nimmst Deinen Körper wahr und bleibst dabei immer im gegenwärtigen Moment. Das führt zu mehr Präsens im eigenen Körper. Diese Qualität der Selbst-Achtsamkeit in Verbindung mit dem eigenen Körper erhöht das Niveau der sexuellen Erfahrung. Wobei die tiefere Verbindung zu Dir selbst auf natürliche Weise eine Brücke zu Deinem Partner bildet. Die Atmosphäre ist entspannt und leicht. Du strebst nicht in irgendeine Richtung. Hektik, Anspannung oder Stress haben hier keinen Platz.

Zum Beispiel findet jede Bewegung bewusster statt. Das führt natürlich dazu, dass die Bewegung langsamer wird, sinnlicher – es entsteht Raum für mehr Gefühl und Empfindsamkeit. Auf einer feinerer Ebene wirst Du dem, was in Dir passiert, mehr und mehr gewahr. Du erlaubst das, was sich entfalten möchte auf organische Weise. Wir können unseren Körpern erlauben, zu genießen und zu spielen.

Wie kannst Du mit zielgerichtetem Sex aufhören und das Bedürfnis nach einem Orgasmus loslassen?

Es ist nicht so, dass Du auf einen Knopf drückst und plötzlich hört es auf, wobei Du eigentlich könntest, wenn Du wolltest! Normalerweise ist es eher ein Entwicklungsprozess, denn unsere Zielgerichtetheit im Sex ist wie gesagt ein tief sitzender Teil unserer Prägung und in unsere Psyche eingebaut. Das ist nun einmal, was wir erst einmal wollen. Es ist eine subtile Form von Programmiertsein.

Das Ganze ist also ein allmählicher Vorgang. Der erste Schritt besteht darin, zu bemerken, dass Du normalerweise zielorientiert bist – auf subtile Art und auf nicht so subtile Weise, wenn es um den Orgasmus geht. Achte auf das, was sich verändert. Und dann beginnst Du, dieses Verhalten oder Muster zu verlernen. Wenn Du zum Beispiel merkst, dass sich Dein Körper anspannt, dass könnte der Kiefer sein, oder die Schultern, oder der Po, dann lässt Du diese Anspannung wieder los. Oder Du möchtest vielleicht einige Deiner angewöhnten Routinen verändern. Du beginnst dann langsam, das Gewohnte gar nicht erst weiter zu verfolgen, sondern konzentrierst Dich auf das gewünschte Gefühl oder die gewünschte Sinneswahrnehmung indem Du Dich in die Empfindungen hinein entspannst. Lass die Sinneswahrnehmungen sich im Körper ausbreiten und Du fühlst in Deinen Körper hinein. Beide Partner vermeiden es dabei, die Körper in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es geht mehr darum mit der Situation zu fließen, es geschehen zu lassen.

Welche praktischen Tipps kannst Du meinen Lesern geben, die diese neue Form des Liebemachens ausprobieren möchten? Wie fängt man an?

Ja, das ist die große Frage!

Na gut, sicherlich besteht der erste Schritt darin, erst einmal wirklich anzufangen. Es ist ja so viel einfacher, nur darüber zu reden, oder darüber zu lesen. Allerdings an einem gewissen Punkt musst Du es auch tatsächlich ausprobieren! Das ist die einzige Möglichkeit es zu begreifen – durch persönliche Erfahrung. Bleibe spielerisch. Experimentiere und erkunde. Springe ins Unbekannte. Entdecke und lerne. Wichtig dabei ist, nicht in einen Modus zu verfallen, in welchem Du sagst, was Du magst oder nicht magst – sei ein wenig objektiv, wie ein Wissenschaftler. Gebe dir einige Monate des Praktizierens, bevor du irgendwelche Schlussfolgerungen ziehst. Achte auch darauf, wie Du Dich fühlst nach dem Liebemachen. Wie ist die Verbindung zu Deinem Partner und zu Dir selbst? Wir empfehlen, sich zum Liebemachen zu verabreden. Überlasst es nicht dem Zufall. Entscheidet euch bewusst dafür, Liebe zu machen, und nehmt euch 2-3 Stunden dafür. Lasst Euch Zeit, keine Eile, entspannt Euch und genießt das Beisammensein Eurer Körper. Genießt das Küssen, Umarmen, Streicheln und ab und zu Augenkontakt. So überlasst Ihr Euch einem natürlichen und organischen Fluss, statt in eine bestimmte Richtung zu streben.

Du versuchst, alles bewusster zu erleben, und hältst dabei die sexuelle Temperatur kühl. Auf diese Weise kann der Sex-Akt ausgedehnt werden, sogar auf mehrere Stunden.

Übe, übe, übe. Sei spielerisch.

Sei aufrichtig aber nicht ernst.

Was ist die Mission hinter Deiner Arbeit? Warum tust Du das was Du tust?

Ich finde es lebensnotwendig, dass alternative Information über Sex so viele Menschen wie möglich erreicht. Es herrscht ein sehr begrenztes Verständnis von Sex in unserer Gesellschaft, was wiederum zu großer persönlicher Verwirrung, fehlendem Selbstvertrauen, Unglücklichsein, Frustration und Selbstzweifel führen kann. Mit einem erweiterten Verständnis von Sex werden viele dieser Probleme verschwinden.

Wie bist Du dazu gekommen, deine Einsichten über das Liebemachen mit anderen zu teilen?

Vor über 30 Jahren habe ich begonnen, mein eignes Sexleben zu erforschen, erst einmal aus Neugierde. Und so folgten viele Jahre des persönlichen Experimentierens und Praktizierens. Es stellte sich als unglaublich interessante und faszinierende Reise heraus – total lebensverändernd. Der lehrende Aspekt passierte auf organische Weise. Es war nie meine Entscheidung „nun werde ich Lehrerin für Sexualkunde“. Es war eher so, dass das Lehren einfach passierte. Ich lebte in einer Gemeinschaft. Mit den Jahren fragten mich immer mehr Paare um Rat, was letztlich dazu führte, dass ich Seminare gab. Und dann schrieb ich auch Bücher.

Was berührt dich am meisten, wenn Du von Gruppenteilnehmern oder Lesern Deiner Bücher Feedback bekommst? Magst Du eine Geschichte teilen? 

Tatsächlich gibt es so viele unglaublich berührende persönliche Geschichten nach all den Jahren in der Paararbeit. Während sich die persönlichen Details unterscheiden, gibt es für gewöhnlich ein gemeinsames Thema oder Element. Und das besteht darin, dass wenn ein Paar Bewusstheit in ihre Sexliebe bringt, unweigerlich Verbindung entsteht. Das schafft Harmonie. Und das berührt mich am meisten – wie einfach es ist, mehr Liebe in unser Leben zu bringen. Und der Schlüssel besteht in einem bewussten und achtsamen Sexleben – gelebt im täglichen Alltag natürlich auch. Ich kann definitiv sagen, dass nach wenigen Tagen im Retreat Paare bereits glücklicher und schöner aussehen – die Strahlkraft der Liebe wirkt sichtbar. Achtsamer Sex kann eine kraftvolle Medizin sein, sie ist heilsam. 

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Über Diana Richardson

Diana Richardson und ihr Michael Richardson (auch als  Puja & Raja bekannt) sind Pioniere auf dem Gebiet der sexuellen Evolution. Ihre Vision von Sexualität ist eine physisch- spirituelle Meditation, die auf ganz natürliche Weise Liebe und Frieden erzeugt. Tausende Paare haben erlebt, wie sich ihr Leben verändert hat, nachdem sie an dem 7-tägigen Retreat „Making Love“ teilgenommen haben, den Diana und Michael Richardson seit 1993 anbieten. Weltweit sind Leser von den Büchern der beiden angetan, die mittlerweile in viele Sprachen übersetzt sind. Mehr Informationen unter www.livinglove.com

Bücher

Zeit für Liebe – Sex, Intimität und Ekstase in Beziehungen 
Zeit für Gefühle – Die Krux mit den Emotionen in der Partnerschaft
Zeit für Weiblichkeit
Zeit für Männlichkeit – Mehr Kompetenz in Sachen Sex und Liebe zwischen Mann und Frau
Slow Sex – Zeit finden für die Liebe
Cooler Sex – Das Handbuch für ein richtig gutes Liebesleben
Zeit für Offenheit – Briefe über Sex und Liebe
Wechseljahre – Mit Achtsamkeit sexuell & spirituell neustarten

Leseproben und Bestellinformationen findest Du hier.

Meditation Herzensfülle

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Tobias

Hi, ich bin Tobias – Dein Guide in die Welt der Energie und achtsamen Berührung! Meine Mission: Menschen zu inspirieren, sich gegenseitig achtsam und liebevoll zu berühren anstatt nur ihre Smartphones. Lass uns gemeinsam geschützte Räume für Berührung schaffen! Bist Du dabei?

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