von Till Heeg
Yoga ist mehr als Asana. Obwohl viele Menschen zunächst an Asana denken, wenn sie den Begriff Yoga hören, lohnt es sich einen Blick hinter die Fassade der reinen Asana-Praxis zu werfen. Yoga ist mehr. Mit Thai Massage oder Thai Yoga Massage verhält es sich sehr ähnlich. Es gibt sehr viele Schnittpunkte zwischen der Thai Massage und dem Pfad des Yoga. Um es genauer zu nehmen, muss man eigentlich sagen: Thai Massage ist eine Form von Yoga Massage. Sie kommt ursprünglich aus Indien und entspringt der Vedischen Tradition des Ayurveda.
Die Entstehung
Der Ursprung liegt mehr als 2500 Jahre zurück. Damals gab es einen Doktor des Königshauses, Jivaka Kumar Bhaccha. Er zählt bis heute als großer ayurvedischer Arzt und wird als der Vater der Thai Massage verehrt. Er war ein guter Freund des leiblichen Buddha. Durch die Verbreitung der buddhistischen Lehre durch Mönche und Nonnen sowie ayurvedische Ärzte, gelangte die TM letztlich auch nach Thailand, wo sie ihre heutige Form erhielt.
Energieblockaden lösen
In der TM geht es in erster Linie um den energetischen Körper und dessen Ausgeglichenheit, das freie Fließen von Qi oder Prana. In der Schulmedizin kennen wir tausende Krankheiten, die asiatische Heiltradition kennt nur eine: Die Stauung des Energieflusses im Körper. Wenn wir die Yogatradition anschauen, wird von einem Netzwerk von mehr als 72000 Nadis oder Energielinien gesprochen. Die TM arbeitet hauptsächlich an 10 Linien. 3 dieser Linien sind für Yoga-Übende und -Lehrer ein Begriff, auch wenn ihre Namen leicht unterschiedlich klingen: Sen (so viel wie Linie) Sumana, Sen Ittha und Sen Pingkala. Im Yoga heißen diese Linien Sushumna Nadi, Ida Nadi und Pingala Nadi.
Es geht in der TM genauso wie im Yoga darum, Balance in das Energie-System zu bringen, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit, Mond und Sonne, Feuer und Wasser, Tag und Nacht, Bewusstem und Unbewusstem, Rationalität und Intuition, Lebendigkeit und Stille. Es geht im Yoga wie in der TM nicht um den gesündesten Körper, das beste Aussehen oder sonstige äußeren Werte oder Fähigkeiten, sondern viel mehr darum, die Aufmerksamkeit vom Äußeren ins Innere zu lenken. Das ist, wenn der Geist zur Stille kommt und Yoga stattfindet. „Yogash chitta vritti nirodhah. Tada drashtuh svarupe avasthanam“ - Yoga ist die Beherrschung des Geistes, dann ruht der Sehende in seiner wahren Natur.
Die fünf Körperhüllen
Genauso wie im Yoga wird in der Thai Yoga Massage von Koshas gesprochen, was so viel ist wie die 5 verschiedenen Schichten. Wie schon angedeutet, richtet sich die direkte Aufmerksamkeit des Thai-Masseurs auf Pranamaya Kosha, den Energetischen Körper oder die Energetische Schicht. Diese Schicht ist in direkter Verbindung mit dem Feststofflichen Körper (oder auch einfach dem physischen Körper) Annamaya Kosha und der Geistigen Schicht Manomaya Kosha, in welcher Gedanken und Emotionen verarbeitet und gespeichert werden. In der ganzheitlichen Medizin wird dem Bindegewebe oder den Faszien die Speicherung von Emotionen, Gefühlen und Erlebtem eine essenzielle Wichtigkeit eingeräumt. Wenn heute so viel von Faszien in der Medizin und im Yoga gesprochen wird, ist das also nur eine Bestätigung dessen, was seit Jahrtausenden in verschiedensten Formen seine Anwendung findet. Ob Yoga, Akupunktur oder eben auch Thai Massage, sie alle haben einen bedeutsamen Einfluss in dieser Ebene. Bei der TM kommt für Manomaya Kosha auch noch das direkte Arbeiten am Herzkreislauf-System hinzu, welches auf der Schicht des Geistes und des Energie-Körpers viel bewirkt.
Manchmal wird Thai Massage mit passivem Yoga (Asanas) verglichen, oder „Yoga für Faule“ genannt. Es stimmt natürlich, dass einige Dehnungen den Asanas im Yoga sehr ähnlich sind und auch ihre Namen tragen. Die wirkliche Ähnlichkeit besteht aber viel mehr im Gefühl der Ausgeglichenheit, des Friedens, der Lebendigkeit, der Harmonie und der Einheit nach einer tiefen und vollständigen Thai Massage. ((Das variiert natürlich von Tag zu Tag und ist für jede Person unterschiedlich, aber jeder, der es schon mal erfahren hat, weiß, wovon die Rede ist.)) Es ist vergleichbar mit dem Zustand, den man nach einer intensiven Yogapraxis in Savasana erleben kann: dieser Schwerelosigkeit und dem Gefühl von Glückseligkeit, ((aus dem man nicht schon wieder (oft zu schnell) wieder aufstehen möchte.))
Verantwortung für den Anderen
Genauso wie ein guter Yogalehrer seine Schüler nicht "noch mehr" binden will, sondern ihnen die Freiheit und das bewusste Handeln im Hier und Jetzt auf der Matte und speziell auch im „normalen“ Alltag näher bringen möchte, ist das oberste Ziel eines Thai-Masseurs, seine Patienten zu begleiten, ihnen zur Seite zu stehen und körperliches Leiden zu lindern. Aber auch hier sollte keine emotionale Bindung erzeugt werden, keine Abhängigkeit in jeglicher Form, sondern erkannt werden, wie man ((seinem „Patienten“, besser: dem Anderen)) am besten dient und auf dem Weg begleitet. Es sollte vielmehr ein spiritueller Kick, ein Wecken der ruhenden Kräfte sein, als ein dauerhaftes Begleiten. Natürlich gibt es Menschen, die unsere Hilfe dauerhaft benötigen, und dann ist es auch gut, sie von ganzem Herzen zu geben.
Nicht in die Fallen des Egos tappen
Um auf dem Weg zur Glückseligkeit weiter voranzuschreiten, um aufzugehen im „Wahren Selbst“ (Anandamaya Kosha), ist es wichtig, den Verstand und dessen Fähigkeiten als unseren Freund zu nutzen. Dabei sprechen wir von Vijnanamaya Kosha, der Schicht des Wissens und der Weisheit. Damit lösen sich die Diskriminierungen von richtig und falsch auf, von nützlich und unnütz, aber auch Entscheidungen und Verurteilungen. Hier ist auch der Sitz unseres Ego, der Ort „der denkt“ zu sein. Darin liegt ((sehr)) viel Kraft, aber auch ((sehr viel)) Gefahr. Wichtig ist es, nicht in die Falle der Dualität und der äußeren Welt zu tappen, sondern zu erkennen, dass alles vergänglich ist, nur Existenz als solches beständig ist und am Ende alles eins ist, alles göttlich. Dabei kommt es auch zur Erkenntnis von „Sat – Chit – Ananda“, von „Existenz - Bewusstsein – Glückseligkeit“.
Natürlich ist jeder Yogi, jeder Lehrer und jeder Thai-Masseur, jeder Schüler und jeder Mensch an einem unterschiedlichen Bewusstseinsort ((ohne Wertung)), und es ist wichtig, jeden dort zu berühren und zu treffen, wo er gerade steht. Diese Fähigkeit liegt in uns allen, sie muss nur geweckt und gepflegt werden. Das sollte unser Ziel als Yoga-Lehrer sein, als Thai-Masseur, und wenn wir es genauer betrachten, das Ziel eines jeden Menschen.
Vier Qualitäten von Liebe
TM kann uns dafür bestens als Sadhana (spirituelle Praxis) dienen, da wir hier die 4 Brahma Viharas (Metta: Liebende Güte, Karuna: Mitgefühl, Mudita: mitschwingende Freude, Uppeka: Gelassenheit oder Gleichmut) praktizieren, mit voller Hingabe und in höchst möglichem Bewusstsein. Wenn man einem echten Lehrer für Thai-Massage begegnet, kann man die Tiefe seiner spirituellen Praxis erfahren. Dabei kann man erkennen, um welch intensives spirituelles Training es sich handelt. Es wird sicher auch eine Technik vermittelt, aber diese dient nur zum Applizieren von Liebe und Mitgefühl in die verschiedenen Schichten des Empfangenden. Solch ein Lehrer praktiziert ein intensives Sadhana, gefüllt mit Meditation und Rezitieren von heiligen Schriften, aber noch viel mehr zeichnet ihn seine gelebte Weisheit aus.
Technik ist die Form, Liebe der Inhalt
Wie auch im Yoga, wo manche Schüler denken, dass die schwierigen und intensivsten Asanas einen zum Ziel des Yogischen Weges führen, gibt es viele Praktizierende, die hauptsächlich daran interessiert sind, komplizierte und ausgefallene Techniken zu erlernen. Wenn dabei vergessen wird, dass TM eine Form von Meditation in Bewegung ist, wenn man nicht erkennt, dass es ein heiliger Tanz ist von zwei Seelen, um Liebe zu geben und zu empfangen, eine Form der Selbstheilung für den Gebenden und den Empfangenden, ist es wie ein Haus ohne Fundament, eine Technik ohne Essenz. Wird die Berührung, wird die Technik aber mit einem offenen und reinen Herzen praktiziert, erfährt der Gebende eine Bewusstseinserweiterung und dringt Stück für Stück tiefer in die feinstoffliche Substanz seines Selbst vor.
Fühlen lernen
Es ist nicht so, dass es ein immer gleichbleibender Weg ist, es ist Teil des normalen Lebens, es ist das normale Leben. Wir bekommen direkt Feedback von unserem Klienten, erfahren, wo sich Spannung befindet und wo Energie frei fließen kann. Alles was wir als Gebender erfahren können, fühlen können, ist der momentane Ist-Zustand. Dabei können wir von Grob-Stofflichem zu Fein-Stofflichem Schicht für Schicht tiefer gehen und mehr erfahren. Es liegt an unserem täglichen Praktizieren, wie tief wir gehen können, wie einfach es uns fällt, etwas zu erfühlen und damit in direkten Kontakt zu treten.
Durchs Geben sich selbst erkennen
Es ist sehr wichtig, nichts persönlich zu nehmen, so genau und präzise zu sein, wie es geht, und so präsent und achtsam wie möglich. Sind wir mit unseren Gedanken abwesend, erfahren wir es an unserem eigenen Körper. Es ist nicht so, dass wir die Energie unseres ((Patienten )) aufnehmen, aber es wird uns gespiegelt, wo wir unachtsam sind, wo unsere Problembereiche liegen. Das kann sich durch Müdigkeit, Schwere, Gereiztheit oder Kopfschmerz ausdrücken, was aber nichts mit der Energie des ((Patienten)) zu tun hat, sondern nur zeigt, wo der Praktizierende seine eigenen verborgenen Schwächen hat. Alle Schmerzen, Spannungen, Emotionen und Widerstände, die ein Thai-Masseur im Körper seines Klienten finden kann, sind dieselben, die ein Yogi auf seiner Matte erfährt und die wir wohl alle haben.
Warum Thai Yoga Massage gut für Yogis und Yoga-Lehrer ist:
- Thai Yoga Massage kann ein perfektes Training sein für „Hands on Assists“ und Enhancements
- viele Yoga Lehrer haben keine Erfahrung im Berühren von Schülern, Thai Massage gibt die Fähigkeit und das Vertrauen, Menschen zu berühren, körperlich, emotional und feinstofflich
- es ist sinnvoll, als Yoga-Lehrer, mehr über Energie zu wissen, das betrifft die Energiebahnen (Nadis, Sen), aber auch die Wahrnehmung unseres Umfeldes
- Thai Massage dient hervorragend der Programm-Ergänzung im Yogastudio, als Zusatz-Anwendung oder als Erweiterung des Personal Yoga
- gibt eine besseres Verständnis von Bewegungsabläufen und Asanas
- eine gute Möglichkeit Savasana zu vertiefen, speziell in kleineren Gruppen + es kann eine tiefe spirituelle Praxis sein (Sadhana)
- eine Form von Meditation in Bewegung
- hilft oft mehr, Achtsamkeit zu erlangen, da man an einer fremden Person direkt arbeitet
- manchmal einfacher direkt Liebe zu erfahren als durch die Yogapraxis auf der Matte, da eine andere Person einbezogen ist
- gut um Einfühlsamkeit und Verständnis zu schulen
- ein Austausch von Energie von Gebendem und Nehmenden
- wenn ein Schüler aufgrund einer Verletzung oder eines Unfalls nicht üben kann, kann man ihm helfen, wieder fit zu werden
- kann helfen, wenn man an Schülern Problemzonen, Fehlhaltungen etc. erkennt, um diese aufzulösen oder zu akzeptieren
Erfahrungen von Yogalehrern:
„Inzwischen finde ich, dass jeder Yoga-Lehrer Thai Massage lernen sollte oder zumindest reinschnuppern sollte, da wir ja mit Energie arbeiten. Im Yoga geht es nicht nur darum, Asanas zu lehren, sondern die Energie zu erspüren und diese so einzusetzen, dass es unsere Yogis auf ihren Weg weiterbringt." Marion Inderst (Prana Vinyasa Yogalehrerin)
„Ich halte einen Kurs in Thai Massage für alle Yogalehrer für sehr wichtig. Im Yoga lernen wir, den Körper in der Haltung anatomisch gut auszurichten. In der Thai Massage lernen wir, Menschen achtsam und liebevoll auf einer tieferen Ebene zu berühren. Dort können wir erleben, dass Berührung auch eine energetische Qualität hat und zur Heilung eingesetzt werden kann, was den Yogaunterricht sehr bereichert.“ Ranja Weis (Lehrerin für Vinyasa, Yin Yoga, Yoga Nidra)
Über Till Heeg
Ich kam zum ersten mal im Jahr 2002 mit der Thai Yoga Massage in Berührung, das war ein Lichtmoment in meinem Leben. Nachdem ich 2001 die Physiotherapie Schule beendet hatte war mir klar, dass ich nicht nur mit dem physischen Körper arbeiten will und kann, sondern, dass diese Arbeit nur die Oberfläche streift. Der heilige Tanz der Thai Massage ebnete meinen weiteren Weg und brachte mich immer wieder zu Lehrern wie Pichet und Laurino nach Thailand. In Griechenland fand ich in Krishnatakis mehr als nur einen Lehrer sondern einen Freund und einen inspirierenden Lebensbegleiter. Den Weg der inneren Heilung mit Thai Yoga Massage, Yoga und Ernährung sowie Vipassana Meditationspraxis lebe und lehre ich nun in Deutschland, Thailand und Griechenland. Mehr Informationen auf www.tillthai.com
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